NOZ vom 04.12.2017
„Tanz nicht aus der Reihe, dann läuft alles glatt, in der perfekten Stadt“ lautete der Refrain des Eröffnungssongs.
In der von einer Mauer umschlossenen Stadtkulisse ist die lebenslustige Lotte (Josephine Winter) zuhause. Anders als ihre Mutter (Luana Niemann) schert sich das Mädchen wenig um Konventionen. Während die Stadtbewohner aus Furcht vor einer ominösen Kreatur den Wald meiden, zieht es Lotte gerade dorthin, allen Appellen zum Trotz. Neugier und Abenteuerlust stehen hier starrem Sicherheitsdenken gegenüber. Für letzteres ist vor allem Oberbürgermeisterin Agathe Sabberbein (Hanna Borgmeier) verantwortlich, die mit Ihren Warnungen vor dem „Unaussprechlichen“ ihre eigene Machtabsicherung im Auge hat. So entfaltete sich eine Geschichte, die den Grimmschen Märchenstoff um zahlreiche Handlungsstränge erweitert und auf kreative Weise in die Gegenwart holt.
Ausgefeilte Choreografie
Mit ausgefeilten Tanzchoreografien und einem grandiosen Bühnenbild wurden dem Publikum wunderbare Schauwerte geboten. Das junge Ensemble glänzte zudem mit darstellerischen Qualitäten, die mit Leidenschaft auf die Bühne gebracht wurden.
Eine Art Seelenverwandte hat Lotte in ihrer Oma Babu (Julia Herkenhoff), die in einem knallbunten Häuschen mitten im Wald lebt und der die Enkelin ihren roten Umhang verdankt. Mit Korb samt Medizin, Kuchen und Wein macht sich „Rotkäppchen“ zu Ihr auf den Weg. Den Wolf gibt es gleich im Doppelpack als Onkel (Niklas Gausmann) und Neffe (Hanno Möller). Auch zwischen diesen schwelt ein Generationenkonflikt, denn dem menschenfreundlichen Jungwolf ist eher nach veganer Kost, was den Älteren gehörig auf die Palme bringt.
Es folgen turbulente Verfolgungsszenen und eine großangelegte Suchaktion, bereichert durch poppige Musikstücke und rasante Choreografien. Klänge, Gesang und Schauspiel gehen eine überaus gelungene Verbindung ein.
Stella Ruhe (Regie, Choreografie), Farina Ruhe (musikalische Leitung) und Johanna Weber (Regie) haben in Ihrer Inszenierung eine Vielzahl neuer Elemente integriert. Auch ein jugendliches Publikum dürfte sich von dem Stoff angesprochen fühlen, doch kommen alle Altersgruppen auf Ihre Kosten, denn das unangepasste Rotkäppchen bietet für jeden reichlich Identifikationspotenzial.
Viel Applaus
Erst gegen Ende des Stücks wird der Grimmsche Erzählfaden stärker aufgenommen, wobei die Figur des Wolfs eher mitleidserregend denn furchteinflößend wirkt. Auch die Macht der Bürgermeisterin bröckelt und somit ist der Weg frei für „Eine Schüssel voller Träume“, wie es im Abschlusssong heißt. Mit rhythmischem Applaus und Jubelrufen forderte das Publikum eine Zugabe ein, welche die Darsteller mit einer rasanten Tanznummer gewährten.
Alle weiteren Aufführungen des Stücks sind bereits ausverkauft.“